“Friede diesem Haus” – Ein erster Blick in das aktuelle Bischofswort

von Rufin Mellentin
18. März 2024

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, und der Augsburger Bischof Dr. Bertram Meier als Vorsitzender der DBK „Kommission Weltkirche“, haben am 21. Februar 2024 in Augsburg das neue Friedenswort der deutschen Bischöfe unter dem Titel „Friede diesem Haus“ vorgestellt

(Pressekonferenz: https://www.youtube.com/watch?v=a5bHeKMdcy8 ).

Der Sachausschuss Sicherheit und Frieden (S&F) der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) hatte sich bereits intensiv mit dem Bischofswort „Gerechter Friede (2000)“ auseinandergesetzt (der Autor war von 2014 bis 2023 Vorsitzender SA S&F).

Als junger Soldat hatte mir bereits das Bischofswort „Gerechtigkeit schafft Frieden“ aus dem Jahr 1983 einen wichtigen Leitfaden mit auf meinen soldatischen Weg gegeben, um in der Tradition des 2. Vatikanums den Soldatenberuf im Einklang mit meiner christlich katholischen Erziehung – mit Ziel, Sinn und Erfüllung erleben zu können, und um Freude am Dienst zu generieren. Der dafür notwendige gemeinsame Nenner (Soldat und Christ!) konnte für mich dabei über die Jahrzehnte mühelos unter unserem Motto „Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker im Dienst für den Frieden“ bis heute gefunden werden. Die beiden Friedensworte waren hier auch für unsere Gemeinschaft und unsere Sachausschüsse eine wichtige Orientierungshilfe. 

Nun stand nach den epochalen Ereignissen des fluchtartigen Rückzugs aus Afghanistan und des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Russländischen Föderation auf die Ukraine eine erneute Wortmeldung der Deutschen Bischofskonferenz an.

Um über den und zum Frieden zu reden, ist im Allgemeinen jederzeit der rechte Zeitpunkt recht; aber um den „(Heiligen) Geist der Zeit“ (richtig) hören zu können, und eben nicht dem „Zeitgeist“ zu erliegen, braucht es nach katholischem Verständnis den „Kairos“, also den richtigen Zeitpunkt. Diesen, so scheint mir, haben die deutschen Bischöfe im Kontext der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten, vor dem Hintergrund der Diskussion des Papstwortes über „weiße Flaggen“, und in Erwartung des kommenden Katholikentages in Erfurt, mit einer Punktlandung getroffen.

Auch der Inhalt des 175-seitigen Kompendiums kann, und so viel möchte ich hier bereits sagen, als gelungenes Vademecum für die nächsten Jahre unsere deutsche Friedensdiskussion und die Arbeit der GKS bereichern. 

Der Versuch einer ersten persönlichen Annäherung und vielleicht kurzen Stellungnahme des als „Diskussionsbeitrag zu den friedens- und sicherheitspolitisch relevanten Debatten innerhalb der Kirche, der Gesellschaft und Politik“ gedachten Veröffentlichung (Friede diesem Haus, Friedenswort der deutschen Bischöfe, herausgegeben vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, -Bonn 2024, (4)), soll sich an den potenziellen Adressaten der Soldatinnen und Soldaten der GKS und der Deutschen Bundeswehr richten, und sich ggf. auch an den spezifischen aktuellen Bedürfnissen und Forderungen nach „Kriegstüchtigkeit“ unserer Soldatinnen und Soldaten orientieren. Dieser Anspruch gilt selbstverständlich gleichfalls für deren Angehörige, die Ermutigung und Richtschnur für diesen schweren Dienst von Kirche und Gesellschaft erwarten können!

Was einer Soldatin, einem Soldaten, den Text erleichtern wird: 

Der Text folgt auf 175 Seiten dem militärisch gewohnten Schema von I. Ansprechen – II. Beurteilen - III. Folgern. Dem besseren Verständnis nach folgt die Gliederung im Prinzip auch dieser Methode, mit Einleitung (Vorworten), Hauptteil (Kapitel 2–5) und Schluss (Kapitel 6, sowie die Schlussbemerkung des Autors)

„Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus!“ (Lk 10,5; DBK (1))

I.

In einem kurzen Vorwort des Vorsitzenden DBK verweist Bischof Dr. Georg Bätzing auf das Wort Gottes und auf die Lebenspraxis Jesu als Richtschnur für die kirchliche Friedenslehre auch in unserer Zeit und benennt drei grundlegende Themenkomplexe, die im Ringen um eine gerechtere und friedlichere Welt zentral seien. Er benennt explizit neue Gestalten der Gewalt, den drohen Kollaps der internationalen Zusammenarbeit und auch erstmalig die wachsende Bedeutung und Brisanz kultureller und religiöser Identitäten. Er betont, dass der vorgelegte Beitrag zu einer soliden Debatte über den Frieden ernsthaft und wohlwollend zur Kenntnis gelangen soll. Ausdrücklich werden auch mit Blick auf die Vorbereitung des Friedenswortes interdisziplinäre Redaktionsgruppen und wissenschaftliche Resonanzforen dankend erwähnt.

Das folgende Einleitungskapitel 1. in dem sich das Vorwort weiter erschließt, beginnt mit dem titelgebenden Bibelzitat, an dem sich das Bischofswort als Richtschnur orientieren wird. Es wird betont, dass es sich nicht um ein Lehrbuch, sondern ein Diskussionsbeitrag handelt, der die vorangegangenen Veröffentlichungen nicht ablösen, sondern fortschreiben will.

Dabei wird vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderung deutlich gemacht, dass „Krieg niemals ein Mittel der Politik oder der Konfliktbewältigung sein kann (7)“. 

Explizit wird daran erinnert, dass „unsere Friedenslehre von zwei Traditionen lebt, die bis in die Anfänge des Christentums zurückreichen und sich stets gegenseitig beeinflusst haben: dem christlich motivierten Pazifismus mit seinem umfassenden Gewaltverbot und dem der kritisch konditionalen Gewaltlegitimation mit der Absicht, Gewalt zu beherrschen und zu minimieren. Bei aller Unterschiedlichkeit eint diese beiden Traditionsstränge doch das gemeinsame Ziel: Gewalt soll überwunden werden. Die Kirche kann und darf auf keine dieser Traditionen verzichten; vielmehr gilt es, die Spannungen auszuhalten und in einen kreativen Dialog miteinander zu bringen (12)“.

Die im Vorwort genannten drei Themenfelder werden noch einmal ausführlicher genannt und dabei auch schon auf Lösungsansätze verwiesen, die am Ende der Einleitung auf die hoffnungsvollen Heilsbotschaften der Worte und Taten Christi verweisen, „ohne einem unbegründeten Optimismus das Wort zu reden (15)“, allerdings „davon überzeugt, dass auch unter den sich ständig verändernden Bedingungen der Respekt vor der Menschenwürde, die Einhaltung der Menschenrechte, die Gestaltung des internationalen Rechts und der Einsatz für die internationale Gerechtigkeit die Grundpfeiler eines friedlichen Zusammenlebens sind. (16)“.

II.

In den folgenden Hauptkapiteln 2. „Die christliche Friedensbotschaft angesichts der Gewalt der Gegenwart“, 3. „Unsere Welt in Unordnung: Ein neues Zeitalter von Konflikt und Gewalt?“ und 4. „Wege der Gewaltüberwindung“ werden zunächst die Tradition des vernetzten sicherheitspolitschen Ansatzes fortgeschrieben und die neuen Herausforderungen der jüngsten Vergangenheit benannt. Das Kapitel 2 betont dazu zu Beginn, dass die politische „Zeitenwende“ im Rahmen dieses Dokumentes allerdings einer anderen Deutung unterliegt, nämlich der heilsgeschichtlichen, die auf das gute Ende durch die Frohe Botschaft Christi verweist. Explizit wird auf die Katholische Soziallehre verwiesen und so ein ethischer Orientierungsrahmen angeboten. 

Zunächst wird auf die große Herausforderung des Ukrainekrieges eingegangen und dabei das Recht auf Selbstverteidigung ausdrücklich betont. Allerdings wird auch unmissverständlich darauf hingewiesen, dass dieses Recht niemals ein Freibrief für die Kriegsführung sein darf und „das Ziel jedes Militäreinsatzes, sofern er aus christlicher Sicht legitim sein soll, (ist) nicht der Sieg, sondern der gerechte Friede (31)“ ist, und ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen nicht zerstört werden darf.  

Bezüglich der zunehmend ineinander verflochtenen Probleme werden neben den Begriffen Frieden und Gerechtigkeit schnell auch Umwelt, Klimawandel, fehlgeleitete Ökonomie, Populismus und moderne Verführungen („die Zahl der Follower und Likes repräsentieren heute die Leitwährung an der Image-Börse der sozialen Medien …“(41)) benannt, und schließlich auf die zuversichtliche Funktion des Glaubens verwiesen. Um diesem Ziel Orientierung zu geben, wird die Aufmerksamkeit auf sittlich gebundene Freiheit und Verantwortung gelenkt und die „Einübung der Tugendhaftigkeit (46)“ im Sinne einer Neubesinnung auf die alte Tradition der Tugendethik empfohlen und „Tugenden wie Anstand, Respekt, Mut und Kompromissbereitschaft, Ehrlichkeit oder Achtsamkeit (51)“ explizit als Kitt des sozialen Miteinanders benannt.

Den Zielen der Gewaltüberwindung des Kapitels 2.3. folgend, beschäftigt sich (62) wieder mit (militärischer) Gewalt und der Notwendigkeit der Geltung des Rechts, basierend auf einem Ethos des Rechtes, um schließlich auch den Frieden zwischen den Religionen einzufordern.

Diese hätten eine Kultur der Friedfertigkeit zu fördern. Schließlich wird in Kapitel 2.4. wieder auf die beiden Grundformen christlicher Auseinandersetzungen mit militärischer Gewaltanwendung eingegangen: christlicher Pazifismus versus bedingte Gewaltanwendung. Beide bedingen sich und auch die „Urtugend der aktiven Gewaltfreiheit“ (75) wird „auf eine Reihe zugeordneter Tugenden hin“ konkretisiert: „Furchtlosigkeit, Mut und Demut, Entschlossenheit und Geduld, Zuverlässigkeit und Disziplin, Mitgefühl und Augenmaß“ (75). Nicht zufällig glichen viele dieser Charaktereigenschaften denen, „die auch gute Soldatinnen und Soldaten benötigen“(ebenda). 

Schließlich wird der kirchliche Bezug mit Hinweis auf das Taufsakrament aufgezeigt. „Der Ausdruck ‚Sakrament‘ bezeichnete ursprünglich den militärischen Treueeid, den römische Soldaten ihrem Feldherrn leisteten. Im Sakrament der Taufe unterstellen sich die Gläubigen gewissermaßen eidlich Jesus Christus als ihren Herren und Heiland – sowohl Soldatinnen und Soldaten als auch Pazifistinnen und Pazifisten.“ (79).

Kapitel 3 geht besonders auf die eingangs erwähnten drei grundlegenden Themenfelder ein. Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11.09.2001 trat nun „ein allmählicher Rückfall in traditionelle Macht-, Geo- und Realpolitik“ ein, so die Argumentation. Mit ihr einherging eine zunehmende Blockade internationaler Institutionen und ein Aufkommen von Identitätspolitik“ (82). So fällt die Bilanz von Aktionen im Rahmen der UN-Schutzverantwortungsnorm (Responsibility to Protect) weitgehend ernüchternd aus (89). Nach Aufkommen des internationalen Terrorismus, hybrider Kriege und dem Phänomen Cyber War, hat schließlich der russische Angriffskrieg „die Sicherheitspolitische Debatte in Deutschland und in Europa binnen kürzester Zeit auf den Kopf gestellt“ (96). Zugleich ist die in den 1980er-Jahren einsetzende Ära der Abrüstung zu Ende gegangen. So beschreibt insbesondere das Kapitel 3.1.3 „Aufrüstung und Re- Militarisierung; zur Wiederkehr von Abschreckung und Eindämmung“ die diesbezügliche Ist-Situation, mit der Wiederkehr des alten Slogans „Willst du den Frieden, rüste dich für den Krieg“. Die folgenden Kapitel 3.1.4 Weltwirtschaftliche Verwerfungen, Kapitel 3.1.5 Sicherheitsrisiko Klimakrise (Stichwort „Klimakrieg“ (116)), Kapitel 3.1.6. Die Erde ist nicht für alle da: Ressourcenknappheit und Ressourcenkonkurrenz und schließlich das Kapitel 3.1.7. Mehr Konflikte durch mehr Mobilität? Migration und Urbanisierung unterstreichen den erforderlichen umfassenden Sicherheitsbegriff, der auch ökonomische, kommunikative, ökologische und kulturelle Dimensionen der Sicherheit und des Friedens einbezieht (107).

Die „Schwächung internationaler Institutionen(Kapitel 3.2.) und die Desillusionierung eines „Demokratischen Friedens“ durch „den gegenwärtigen weltweiten Wiederaufschwung autokratischer politischer Systeme.“ (127) wird mit den Unterkapiteln 3.2.1. „Neue Machtkonstellationen: von der Unipolarität zur Multipolarität“, 3.2.2. „Globaler Multilateralismus im Niedergang“ und 3.2.3. „Die Europäische Union und regionale Zusammenarbeit im Stresstest“ umfangreich und vollständig herausgearbeitet, bevor das Unterkapitel 3.2.4. „Demokratischer Frieden – Eine Illusion?“, auf den Verlust des Siegeszuges des weltweiten Demokratiemodells und auf die Gefahren des wachsenden Rechtspopulismus verweist. „Demokratie, der Schutz der Menschenrechte und kompromissgeleitetes Augenmaß haben unter rechtspopulistischen Vorzeichen in der Außenpolitik keinen Platz mehr.“ (149)

Schließlich wird im Kapitel 3.3. „Kulturelle Identitäten in Konflikten und Gewaltprozessen“ darauf verwiesen, dass zu einem erheblichen Teil gewaltsamer Konfliktaustrag „auch das Ergebnis kultureller und kognitiver Prozesse sei“ (150) und in den Unterkapiteln 3.3.1. Identitäre Bewegungen, (Rechts-) Populismus und Neue Medien, sowie 3.3.2. Religiöse Konfliktpotenziale als „Sonderfall identitärer Bewegungen“ (158) ebenfalls umfangreich erörtert. 

Die folgenden Kapitel 4. „Wege der Gewaltüberwindung“ und 5. „Unsere Verantwortung als katholische Kirche angesichts einer unfriedlichen Welt“ können nach der zuvor beschriebenen Lageanalyse nun als Beurteilung der Lage verstanden werden, und tragen nun deutlich, insbesondere das Kapitel 5., die zu erwartende katholische Handschrift.  

Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle nun an dem Text der Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz zum vorliegenden Bischofswort (21.02.2024, 021d) orientieren:

Vor dem Hintergrund der katholischen Sozial- und Friedenslehre werden im Kapitel „Wege der Gewaltüberwindung“ (160–237) die zentralen Handlungsfelder für eine gewaltärmere Zukunft markiert. Leitend ist dabei die Überzeugung: „Gewalt wird auf unabsehbare Zeit zu unserer Wirklichkeit gehören. Doch sollte uns dies nicht dazu verleiten, uns an die Gewalt zu gewöhnen und uns resigniert mit ihr abzufinden. Vielmehr geht es darum, geduldig und einsatzbereit dafür Sorge zu tragen, dass Gewalt und ihre Folgen, soweit es geht, überwunden werden und somit Gewalt immer weniger Raum bekommt.“ (160)

Um dieses Ziel zu erreichen, beschreiben die Bischöfe eine Reihe friedensschaffender, genauer gesagt erhaltender Maßnahmen:

Der Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und Versöhnung, denn „Kriege und Gewalt nähren sich häufig aus unversöhnlichen Konflikten, die bis in die Vergangenheit zurückreichen“ (174);

die Menschenrechte als „wesentliche Voraussetzung für minimale menschliche Sicherheit und Freiheit“ (188);

die Gewaltüberwindung durch (internationales) Recht, insbesondere mit Blick auf dessen konsequente Anwendung und Weiterentwicklung (191);

die Gewaltabwehr durch Selbstverteidigung im Rahmen der rechtlichen und moralischen Grenzen (197);

die ethischen Grenzen der Rüstungspolitik, da Rüstungsgüter „Ausdruck grundlegender Sicherheitsprobleme (sind). Aufgrund ihrer enormen Zerstörungsgewalt sind sie hochgradig legitimationsbedürftig und erfordern daher eine besondere Kontrolle“ (201);

eine Demokratisierung, die stärker als bisher kulturelle Gegebenheiten berücksichtigt. „So spielen gewachsene Erfahrungen sozialer Konfliktregulierung, Gerechtigkeitsvorstellungen und institutionelle Ausprägungen dieser Erfahrungen eine bedeutsame Rolle, die ihren Niederschlag im politischen System zu finden haben“ (213);

gerechte globale Wirtschaftsbeziehungen, die „nicht allein die Lebensbedingungen vieler Menschen verbessern (würden), sondern (…) auch ein wichtiger Beitrag zur Gewaltprävention (wären)“ (220);

der Aufbau internationaler Umweltregimes: „Da der Klimawandel durch Menschen verursacht wird (anthropogen), ist er nicht bloß Schicksal, sondern eine Frage der Gerechtigkeit“ (234). „Dazu bedarf es einer internationalen Kraftanstrengung und finanzielle(r), organisatorische(r), und soziale(r) Hilfen, um die gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten und Standards menschenrechtlicher Sicherheit gewährleisten zu können“ (232).                                                                                                                                                                                                              

Kapitel 5. Dem vielfältigen Friedensengagement der Kirche im Kontext einer weltkirchlichen Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft (244) widmet sich das Kapitel „Friedensarbeit in der Weltkirche“ (238–302). Die Bischöfe würdigen vorhandene Ansätze, Initiativen und Organisationen und benennen weitere Empfehlungen für die Friedenspraxis der Christen und der Kirche. So müsse u. a. darum gehen, an der Verwirklichung eines positiven Friedens mitzuwirken. „Friedensarbeit, die lediglich darauf abzielt, durch Waffenstillstände Gewalt einzuhegen – also einen negativen Friedenszustand herzustellen – greift zu kurz. Viele solcher Friedensschlüsse kollabieren bereits nach wenigen Jahren, sodass die Konfliktparteien ihre Gegensätze neuerlich mit Gewalt austragen.“ (257). Hierbei wird das umfassende kirchliche Friedensengagement acht Handlungsfeldern zugeordnet, deren Relevanz und mögliches Entwicklungspotenzial aufgezeigt werden. Die Handlungsfelder kirchlicher Friedensarbeit sind der Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit und Versöhnung (260–263), Frieden durch Dialog (264–269), durch Bildung (270–275), durch eine nachhaltige und integrale menschliche Entwicklung (276–278), durch Begegnung und Seelsorge (279–281), durch gesellschaftliche und politische Mitwirkung (282–285) und durch ökumenische Zusammenarbeit (286–297). Abschließend wird die besondere Friedensverantwortung der Religionen (8298-302) gewürdigt, da sie das Potenzial haben, „Konflikte zu eskalieren oder aktive Friedensstifter zu sein“ (298).

Das Bischofswort endet schließlich mit dem kurzen Kapitel 6. „Schluss“.

Es erinnert an die Kraft des Gebetes und ist als „Folgerung“, nach Ansprache und Beurteilung – auch im Hinblick auf eine persönliche Stellungnahme – nun für mich von außerordentlicher Relevanz, sodass ich das Kapitel hier in Gänze zitieren möchte:

(303) „Die Eucharistiefeier in der katholischen Kirche und auch in den meisten ostkirchlichen Traditionen kennt ein Gebet, das zwischen dem Vaterunser und einer Doxologie, Lobpreis der Herrlichkeit Gottes) eingeschoben ist. Es wird deshalb als Embolismus (Einschub) bezeichnet. An die Bitte „Erlöse uns von dem Bösen“, mit der das Vaterunser endet, schließt der Priester die Gebetsworte an:

„Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.“

Die Gemeinde antwortet dann mit der Doxologie: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“

(304) Der Blick auf den Embolismus ist deshalb so interessant, weil es sich um ein Friedensgebet aus alter Zeit handelt, das die Liturgie der Kirche über Jahrhunderte hinweg aufbewahrt hat. Wahrscheinlich stammt das Gebet aus dem 5. Jahrhundert, als die Welt des Römischen Reiches zerbrach. Es ist die Zeit der Völkerwanderung, die Europa für immer verändern sollte. Über das Imperium und die Ewige Stadt fegte der Vandalen-Sturm hinweg. Das Vertraute versank, die gewohnte Ordnung kollabierte. Die Pax Romana fand ihr Ende. Gewalt allerorten und Krieg, Niedergang einer Zivilisation. Auch die Christen, die zur bestimmenden Kraft des Imperiums geworden waren, erlebten all dies als Drama und zumeist als völlig unverständliche Wendung der Geschichte. In diesem Zusammenhang ist der Embolismus historisch verortet: die drängende Bitte an Gott um „Frieden in unseren Tagen“, um Erlösung vom Bösen und von allem Übel, das man erleben musste.

(305) So beten wir auch heute: um den Frieden in unseren Tagen, um Erlösung vom Bösen. Auch wir erleben eine Zeit der Gewalt, wachsende Unordnung und starken Druck auf die zivilisatorischen Grundlagen, die wir als selbstverständlich erachtet haben. Aber wie die Christen in früheren Zeitaltern glauben wir daran, dass Gott sich letztlich als stärker erweisen wird als die Mächte des Bösen und der Gewalt. Am Ende wird er triumphieren: Denn Sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

III.

Das vorliegende Friedenswort hat mich in seiner Vollständigkeit begeistert. Es ist zukunftsweisend und der rote Faden des römisch-katholischen ist unmissverständlich erkennbar.

Ohne belehrend zu sein, machen die Worte Freude und vermitteln Hoffnung und Zuversicht.

Gerade für uns Soldatinnen und Soldaten geben viele Kapitel (wenn nicht sogar alle) wertvolle Impulse. Hier denke ich exemplarisch an die Kapitel 4.4.3. „Gewaltüberwindung und Recht“ und 4.4.4 Gewaltabwehr durch Selbstverteidigung, sowie schließlich an Kapitel 4.4.5. Ethische Grenzen der Rüstungspolitik-Notwendigkeit von Rüstungskontrolle. Besonders dort wird in Bezug auf die „Nukleare Teilhabe“ noch einmal genau hinzuschauen sein. Der bisherige, hauchdünne Kompromiss zu diesem Thema scheint bisher nicht zerbrochen, auch wenn das Wort die aktuell mahnenden Worte des Papstes zur nuklearen Frage, zu KI und Drohneneinsätzen nicht verbergen. Auch das eine Stärke des Bischofswortes!

Ja, liebe Soldatinnen und Soldaten: Spannung benötigt der Strom, damit er fließt! Aber sie ist notwendig, um ehrlich und wertegebunden zu leben.

Die beiden Bischöfe der zu Beginn meiner Ausführungen genannten Pressekonferenz brachten es auf den Punkt, und ich darf sie zum Schluss noch einmal mit persönlicher Freude zitieren:

Bischof Dr. Bertram Meier, der innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Fragen der Weltkirche zuständig ist, hat mit seiner Kommission den Text über mehrere Jahre hinweg erarbeitet.

Bei der Vorstellung des Dokuments in Augsburg sagte er: „Auch wenn es für manche altbacken klingen mag, über Tugenden und Laster zu reden: Jede Friedensordnung ist nur so stark wie die Menschen, die eine solche Ordnung leben und vertreten. Am Ende des Tages lässt sich Verantwortung nicht allein an Strukturen, Institutionen und Prozesse delegieren. Persönliche Verantwortung bleibt gefordert. Sie ist eine Frage unserer ethischen Identität.“

Bischof Dr. Georg Bätzing, der DBK-Vorsitzende, erklärte seinerseits, die Bischöfe seien „nicht blauäugig“: „Der Einsatz militärischer Gewalt – oder besser gesagt: Gegengewalt – bleibt als Ultima Ratio, als letztes Mittel möglich oder kann sogar geboten sein, wenn Staaten oder Bevölkerungsgruppen auf schwerwiegendste Weise mit Gewaltmaßnahmen konfrontiert werden, vielleicht sogar um ihr Überleben fürchten müssen. Aber auch die Gegengewalt unterliegt ethischen Begrenzungen, die wir als Kirche zur Sprache bringen müssen.“

Der Friede sei mit Euch! Shalom Aleichem Salam Aleikum

„Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus!“ (Lk 10,5; DKK (1))

Und auch bei dieser Bibelstelle lohnt es sich weiterzulesen!

Dipl.-Kfm Rufin Maria Mellentin FamOT,
Oberstlt a.D.
Flurstr.7, 82256 Fürstenfeldbruck 
08141/365622 oder 015771942705

 

Und für alle, die noch weiter lesen wollen, hier der Link zum Text: https://www.dbk-shop.de/media/files_public/fddbe594c56a6c4b5851c5b3ad1b6d32/DBK_11113.pdf

Diesen Beitrag finden sie auch hier als PDF-Datei:
https://www.gemeinschaft-katholischer-soldaten.de/images/DOKUMENTE/2024_Friede_diesem_Haus_-_Einfuehrung_Rufin_Mellentin.pdf

Weitere Neuigkeiten

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.